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Nach ersten Modding-Erfahrungen und Arbeiten an Need for Speed: Shift schufen die Slightly Mad Studios mit Project Cars ihre erste eigene Marke. Die Rennsimulations-Reihe wurde als Alternative zu beliebten Titeln wie Assetto Corsa und rFactor konzipiert. Doch mit dem dritten Teil vollzogen die Entwickler eine überraschende Kehrtwende. Damit opferten sie ihre Vision zugunsten einer Arcade-Ausrichtung. Doch was kann man heute noch von den drei Hauptteilen von Project Cars erwarten?
Die Macht von Crowdfunding
Die erste Version der Rennsimulation von 2015 stand im Zeichen der Schwarmfinanzierung. Dabei setzte Slightly Mad nicht auf Kickstarter, sondern stampfte zu diesem Zweck mit dem WMD-Portal (World of Mass Development) eine eigene Plattform aus dem Boden. Dank cleverem Marketing und der Zusammenarbeit mit der Community schufen die Macher eine moderne Rennsimulation. So entstand ein regelrechter Hype um das „Rennspiel der nächsten Generation“.
Mit Controller nahezu unspielbar
Den großen Erwartungen konnte man allerdings nur im Ansatz gerecht werden. Zwar begeistert Project Cars hinsichtlich Technik und Umfang. Doch es zieht bei wichtigen Faktoren wie Fahrphysik und KI den Kürzeren gegenüber anderen PC-Simulationen. Auf den technisch abgespeckten Umsetzungen für Konsolen bereitet außerdem die hochsensible Steuerung Kopfzerbrechen. Denn mit einem Controller lassen sich vor allem leistungsstärkere Boliden selbst mit optionalen Fahrhilfen kaum beherrschen.
Sowohl an Konsole wie PC ist auch heute noch ein Lenkrad Pflicht. Da das Standard-Setup für das Force Feedback katastrophal ist, muss man allerdings Zeit für das Feintuning investieren. Darüber hinaus wurden manche ursprünglich geplante Features nur halbherzig oder gar nicht erst umgesetzt. Auch prominente Fahrzeughersteller wie Ferrari oder Porsche glänzen mit Abwesenheit. Seit dem 3. Oktober 2022 ist der erst Teil nicht länger in digitalen Shops erhältlich.
Viele Verbesserungen in Project Cars 2
Die zweite Version von 2017 schaffte viele Versäumnisse des Vorgängers aus der Welt. Das Fahrgefühl wurde massiv verbessert, der Umfang weiter erhöht. Neben dem dynamischen Wettersystem konnte man Strecken dank „LiveTrack 3.0“ sogar zu verschiedenen Jahreszeiten befahren.
Herausgekommen ist ein gewaltiges Motorsport-Paket mit einer üppigen Anzahl an Strecken, Rennserien und Fahrzeugklassen. Dazu kommt ein starker VR-Auftritt am PC sowie ein hoher Sim-Anspruch. Die audiovisuelle Präsentation überzeugt. Doch die Fahrphysik kann den großen Platzhirschen aber noch immer nicht das Wasser reichen. Zuletzt bleibt die rücksichtslose KI weiterhin als Kritikpunkt bestehen. Die Controller-Steuerung wurde optimiert und funktioniert mit Feineinstellungen recht ordentlich. Trotzdem bleibt ein Force-Feedback-Wheel auch hier die erste Wahl.
Project Cars 2 ist ohne Zweifel der beste Teil der Reihe und erfreute sich lange Zeit im eSport-Bereich großer Popularität. Für viele Unterstützer ist der zweite Teil endlich die Rennsimulation geworden, die man sich schon vom ersten Teil erhofft hatte. Entsprechend traurig stimmt die Meldung, dass Version 2 am 21. September 2022 aufgrund auslaufender Lizenzen aus digitalen Shops entfernt wurde und nicht länger verkauft wird. Interessierte müssen in Zukunft also auf Restbestände oder auf dem Gebrauchtmarkt nach physischen Versionen umsehen.
Fragwürdige Kehrtwende in Project Cars 3
Mit Blick auf erfolgreiche Konsolen-Rennspiele Forza Motorsport und Gran Turismo vollzogen die Slightly Mad Studios eine Kehrtwende. Der 3. Teil von 2020 baut auf Tuning-Upgrades und einem verspielten Punktesystem. Gleichzeitig wurden klassische Rennwochenenden mit Qualifikation und Boxenstopps gestrichen. Stattdessen gibt es actionlastige Rennen und eine zugängliche Fahrphysik. Die Idee ging nach hinten los: Mit dem neuen Ansatz vergraulte man einerseits die Simracing-Fans der ersten Stunde. Andererseits konnte das Spiel weder qualitativ noch technisch in die großen Fußstapfen der neuen Vorbilder treten.
Obwohl die Rennen durchaus Spaß machen können, gilt der dritte Teil als Tiefpunkt der Reihe. Wenn man noch etwas Positives aus diesem Debakel herausziehen möchte, wäre die endlich gelungene Controller-Steuerung zu nennen – zumindest in diesem Bereich kam man an Gran Turismo & Co heran. Für ein mögliches viertes Projekt versprach der ehemalige Entwicklerchef Ian Bell noch eine Rückkehr zu den Simracing-Wurzeln. Ob es dazu noch kommt, ist fraglich. 2021 folgte mit Project Cars Go noch der letzte Serienteil speziell für Mobilgeräte, der die Steuerung noch weiter vereinfachte.
Die Zukunft von Project Cars steht in den Sternen. Zum einen gibt es keine offizielle Ankündigung für weitere Teile. Zum anderen gehören die Slightly Mad Studios nach dem Kauf durch Codemasters und der anschließenden Übernahme mittlerweile zu Electronic Arts. Hier hat man vermutlich nur wenig Interesse an einer Hardcore-Simulation für einen Nischenmarkt.
Vor- und Nachteile von Project Cars
Pro
+ Breites Spektrum an Fahrzeugklassen und Strecken
+ Technisch potente Madness-Grafikengine
+ Tolles VR-Erlebnis am PC
Contra
– Fahrphysik und KI nicht auf dem Niveau anderer Simulationen
– Project Cars 1+2 nicht länger zum digitalen Kauf erhältlich
– Starke Arcade-Ausrichtung im 3. Teil